Mit Urteil vom 08.10.2015, Az. 2 U 25/15 stellte das Oberlandesgericht Stuttgart fest, dass der Geschädigte eines Geheimnisverrates einen selbstständigen Auskunftsanspruch gegen den Schädiger besitzt. Der Schädiger hat Auskunft zu erteilen durch wen und auf welche Weise er an die Geschäftsgeheimnisse gelangt ist. Er kann nicht grundsätzlich einwenden, dass ihm die Auskunft unzumutbar wäre, namentlich nicht weil er sich oder einen Dritten möglicherweise der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde.
Der zivilrechtlichen Entscheidung lag ein für den Vorwurf des Geheimnisverrates typischer Sachverhalt zu Grunde. Der Beklagte war vormals Vertriebsmitarbeiter der Klägerin und zum Zeitpunkt der infrage stehenden Tat Vorstandsmitglied eines weiteren Unternehmens, das im Wettbewerb zu der Klägerin stand. Im Oktober 2013 verschickte der Beklagte an Vertriebsmitarbeiter dieses Konkurrenzunternehmens Daten von Kunden der Klägerin, deren Wartungsverträge ausliefen und von daher für eine Akquise des Konkurrenzunternehmens von erheblicher Bedeutung waren. Als die Klägerin hiervon erfuhr erstattete sie Strafanzeige und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten, der nach Erlass der einstweiligen Verfügung eine Abschlusserklärung abgab. In dieser Abschlusserklärung verpflichtete er sich Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang er die inkriminierten Handlungen begangen hat. Er verpflichtete sich nicht zur Auskunft über die Herkunft der eingespielten Daten.
Das erstinstanzlich zuständige Landgericht Stuttgart hat die Klage auf Auskunft abgewiesen und ausgeführt, dass eine strafbare Handlung des Beklagten im Raume stehe. Gegen ihn werde von der Staatsanwaltschaft ermittelt. Die möglicherweise erforderliche Selbstbezichtigung stelle von daher wegen ihrer strafrechtlichen Auswirkungen einen schwerwiegenden Eingriff dar. Im strafrechtlichen Bereich gäbe es das Schweigerecht des Beschuldigten, §§ 136, 163 a, 243 IV StPO. Der Schutz gegen Selbstbezichtigungen beschränke sich nicht auf den strafrechtlichen Bereich. Im Zivilprozess finde die Wahrheitspflicht der Partei dort ihre Grenzen, wo sie gezwungen wäre, eine von ihr begangene Straftat zu offenbaren. Die vorliegende Konstellation sei mit derjenigen eines Zeugen vergleichbar, da mit der Auskunft das insoweit bestehende Verweigerungsrecht unterlaufen würde.
Das Oberlandesgericht hob die Entscheidung des Landgerichtes auf und sah die Voraussetzungen für die Annahme eines selbstständigen Auskunftsanspruches als gegeben an. Der Beklagte habe eine wettbewerbswidrige Handlung in Form des Geheimnisverrates begangen, § 17 Abs. 2 Nr. 2 UWG. Der Beklagte kann insbesondere nicht einwenden, dass ihm die begehrte Auskunft unzumutbar wäre, weil er sich oder einen Dritten möglicherweise der strafrechtlichen Verfolgung aussetzen würde.
Materiell, so das Oberlandesgericht, gleiche die Lage der eines Wettbewerbsverletzers nicht derjenigen eines grundsätzlich unbeteiligten Zeugen im Zivilprozess. Auch führe die Argumentation des Landgerichtes zu einem Wertungswiderspruch. Bei besonders gravierenden und deshalb mit Strafe bedrohten Rechtsverstößen wäre der Verletzte schutzloser gestellt als bei weniger gravierenden Lauterkeitsverstößen. Die Rechtsordnung kenne kein ausnahmsloses Gebot, dass niemand zu Auskünften oder zu sonstigen Handlungen gezwungen werden darf, durch die er eine von ihm begangene strafbare Handlung offenbart. Es werde je nach Rolle der Auskunftsperson und der Zweckbestimmung der Auskunft unterschieden. Diese Differenzierung stehe mit den grundgesetzlichen Wertungen insbesondere derjenigen aus Art. 2 Abs. 1 GG in Übereinstimmung. Handelt es sich um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Er kann dabei berücksichtigen, dass es im Privatrechtsverkehr nicht allein um ein staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis, sondern zugleich um die Interessen eines Geschädigten geht, Bundesverfassungsgerichtsentscheidung (BVerfGE) 56, 37 Rn. 27.
Die Grundsätze der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Stuttgart sind von wesentlicher Bedeutung für die Planung einer Verteidigungsstrategie und auch bei Vertretung der Geschädigten. Das Strafverfahren kann über die Einlegung von Anträgen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren überholt werden. Das bedeutet, dass die jeweiligen rechtlichen Vertreter die Instrumentarien des einstweiligen Rechtsschutzes beherrschen sollten, wenn sie nicht auf einmal mit Ergebnissen konfrontiert sein möchten, die das Ergebnis auch eines Strafverfahrens vorzeichnen.