Nach Beschluss des LSG Schleswig-Holstein ist bei der Nacherhebung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen der Berechnung die Lohnsteuerklasse 6 zugrunde zu legen, soweit dem Arbeitgeber keine Lohnsteuerkarte vorgelegen hat.
Der dem LSG zur Entscheidung vorgelegte Sachverhalt berührt mehrere im Spannungsfeld illegaler Beschäftigung und Sozialversicherungsbeiträge gelegenen Themenfelder. Kann der Arbeitgeber sich auf vorsatzloses Tun berufen, wenn er den Rat eines Steuerberaters eingeholt hat? Wann ist von Arbeitnehmertätigkeit der Mitarbeiter auszugehen? Wann kann von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung ausgegangen werden? Welche Lohnsteuerklasse ist bei illegaler Beschäftigung zugrunde zu legen?
Folgender Fall lag dem Beschluss zu Grunde:
Der Antragsteller betrieb ein Transportunternehmen für Wert- und Sicherheitstransporte innerhalb Deutschlands. Die Fahrten wurden jeweils mit 2 Personen durchgeführt, wobei sich die Personen während der Fahrten abwechselten. Die Fahrten wurden durch den Antragsteller und bei ihm festangestellte sozialversicherungspflichtig beschäftigte Arbeitnehmer durchgeführt. Zusätzlich zu diesen Arbeitnehmern beauftragte der Unternehmer die Mitarbeiter M 1 und M 2 mehrfach damit, Fahrten durchzuführen. Mit diesen Personen hatte er einen Dienstleistungsvertrag abgeschlossen. Der Antragsteller hatte M 1 und M 2 freigestellt, ob sie die Tätigkeit als Arbeitnehmer oder Selbstständige ausüben wollen.
Aufgrund einer anonymen Anzeige wurden die Unterlagen des Transportunternehmens bei dem beauftragten Steuerberater durch das Hauptzollamt geprüft. Anschließend wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Gegen den Transportunternehmer ergingen Feststellungsbescheide mit denen bestimmt wurde, dass zu den Mitarbeitern M 1 und M 2 in den jeweils streitigen Zeiträumen versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bestanden hätten. Mit unmittelbarem nachfolgendem Beitragsbescheid wurden die Beiträge festgesetzt. Es wurde von fiktiven Nettolohnvereinbarung ausgegangen und für die Mitarbeiter die Steuerklasse 6 in Ansatz gebracht. Hinsichtlich des Vorsatzes wurde in den Bescheiden ausgeführt, dass in der Speditionsbranche das Thema selbstständiger Kraftfahrer im Zusammenhang mit Scheinselbstständigkeit seit Jahren aktuell und Gegenstand vieler Diskussionen sei. Es sei von einem Vorsatz des Unternehmers auszugehen, da ihm die ungleiche Behandlung der Vertragsverhältnisse zwischen M 1 und M 2 einerseits und der anderen bei dem Unternehmer beschäftigten Kraftfahrer bewusst war und in diesem Vergleich eine selbständige Erwerbstätigkeit von M1 und M 2 nicht plausibel sei.
Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wandte sich der Antragsteller gegen die Bescheide. Er trug vor, dass er weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt habe, da beide Fahrer selbstständig tätig sein wollten. Sein Steuerberater habe ihm gegenüber den Einsatz selbstständiger Fahrer als unproblematisch eingeschätzt. Entgegen der Feststellungen in dem Bescheid sei auch nicht von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung auszugehen. Es hätte auch nicht die Lohnsteuerklasse 6 eingesetzt werden dürfen, da M 1 die Steuerklasse 3 besitze und M 2 verheiratet und Rentner sei.
Das Landessozialgericht wies den Antrag zurück. Verletzt der Arbeitgeber zentrale arbeitgeberbezogene Pflichten des Sozialversicherungsrechtes, kann der Versicherungsträger von einer fiktiven Nettolohnvereinbarung nach § 14 Abs. 2 SGB IV ausgehen. Es muss davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller auch vorsätzlich gehandelt habe. Für das vorsätzliche Handeln spreche insbesondere, dass er M 1 und M 2 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis angeboten hätte. Erst die Ablehnung dieses Beschäftigungsverhältnisses hätte dazu geführt, dass der Antragsteller die Durchführung der Tätigkeit als selbstständige Tätigkeit vorgenommen habe, obwohl sich in der Art der Tätigkeit hierdurch keine Änderung ergeben hatte. Lediglich die Abrechnung erfolgte nunmehr nach Rechnungslegung durch die Mitarbeiter. Das habe auch für den Antragsteller erkennbar, keinen Einfluss auf die Bewertung der Tätigkeit als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gehabt. Für einen Vorsatz spreche auch, dass der Antragsteller die gleichen Tätigkeiten durch angestellte Mitarbeiter durchführen ließ und er für diese Sozialversicherungsbeiträge entrichtete.
Der Hinweis des Antragstellers, er habe einen Steuerberater eingeschaltet und auf dessen Einschätzung vertraut, entlastet ihn nicht. Ist der Steuerberater vollumfänglich mit der Lohnabrechnung beauftragt und von dem Antragsteller über den Sachverhalt informiert worden, so muss der Antragsteller die Kenntnis seines Steuerberaters nach § 166 Abs. 1 BGB sich zurechnen lassen. Hat der Steuerberater dem Antragsteller aber eine falsche Auskunft gegeben, so hat er die Nichtabführung der Beiträge für die streitigen Zeiträume zumindest billigend in Kauf genommen. Diese Bösgläubigkeit muss sich der Antragsteller dann zurechnen lassen.
Nach § 39 c Absatz 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) hat auch der Antragsteller die Lohnsteuer nach Steuerklasse 6 zu ermitteln, solange der unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine Lohnsteuerkarte schuldhaft nicht vorlegt oder die Rückgabe der ihm ausgehändigten Lohnsteuerkarte schuldhaft verzögert. Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob unstreitige Arbeitsverhältnisse vorgelegen haben oder ob der Arbeitgeber gegebenenfalls rechtswidrig davon ausgegangen ist, dass keine abhängige Beschäftigung vorlag. Haftet der Arbeitgeber steuerrechtlich nach Steuerklasse 6, so ist dies auch bei der Berechnung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsnachforderung zugrunde zu legen.